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Interview im Plastic Bomb 29
mit Markus Wiebusch von ...But Alive.   Quelle: www.plastic-bomb.de


Mit "Hallo Endorphin" ist inzwischen die 4. ...BUT ALIVE-LP erschienen. Und auf ihr hat sich im Vergleich mit den Vorgängern einiges geändert. Das fängt mit einer erweiterten Instrumentierung an, da man mit Posaune, Synthesizer, Violine, Bratsche, Cello etc. sehr punkuntypische Instrumente einsetzte. Und der offensichtliche Wandel der Band setzt sich mit den veränderten textlichen Themen fort, die immer mehr von ihrer kämpferischen, direkten Art verlieren und statt dessen ständig persönlichere und zynischere Züge tragen.
Diese Veränderung passierte natürlich nicht zufällig und schon gar nicht von einem Tag auf den anderen. Und dem wollten Atakeks, Pfeffer und ich im Interview mit Sänger Markus zumindest mal ansatzweise auf den Grund gehen.

Man merkt manchen seiner Antworten an, dass er in den letzten Jahren extrem viel angefeindet wurde und sich scheinbar für jeden Scheiss rechtfertigen musste. Um diesen Anfeindungen zu trotzen und nicht weiter von ihnen zerfressen zu werden, hat er sich als Panzer ein gesundes Scheissegal-Gefühl aufgebaut. Teilweise klingt das alles aber auch sehr resignierend. Und man kann nur erahnen, wieviel Scheisse jemand in den letzten Jahren schlucken musste. Wie verheerend sowohl Götzenverherrlichung auf der einen Seite und im Kontrast dazu vernichtende Hetzkampagnen sich auswirken, um das Stadium der Angepisstheit von Markus zu erreichen. Von den einen wird er für seine Texte auf schon peinliche Weise wie ein Messias gefeiert, der die Probleme der Welt im Alleingang löst. Andererseits küblen linke Hardliner tonnenweise Scheisse über ihm aus, betreiben lächerliche Haarspaltereien der dümmsten Sorte. Das alles prägt und beeinflusst. Lest selbst...


Wie zufrieden bist du mit der neuen Platte?
Sie geht genau in die Richtung, in die wir gehen wollten. Man hätte zwar noch vieles anders machen können. Aber nichtsdestotrotz stimmt die Grundtendenz.

Wie sieht diese Grundtendenz aus?
Wir wollten Musik machen, die ganz anders ist als alles, was wir vorher gemacht haben.

Ihr habt euch musikalisch ein Stück vom Punk weg entwickelt. Seid ihr inhaltlich und auch von eurer Einstellung davon wegggerückt?
Ich kann den eingeschlagenen Weg nicht weitergehen, weil er mich a) langweilt und er b) sehr viele Begleiterscheinungen mitgebracht hat, die ich persönlich nicht mehr mitmachen wollte. In der Form, dass ich halt auch sehr viel darauf festgenagelt worden bin, dass ich politische Texte gemacht habe, die sehr vielen aus der Seele gesprochen haben. Das ahne ich nicht, das weiß ich einfach auf Grund der vielen Post, die ich bekommen habe. Das lief dann oft unter dem Motto "Markus, erklär mir die Welt." Und da hatte ich dann irgendwann auch keinen Bock mehr drauf. Irgendwann hab ich für mich versucht, einen neuen Weg zu finden. Dieser Weg sieht so aus, dass ich jetzt mehr Texte schreibe, die persönlicher Natur sind - obwohl sich "persönlich immer scheisse anhört, weil alles persönlich ist. Da sind dann auf der neuen Platte so Texte rausgekommen wie "Beste Waffe", wo - relativ humorvoll, wie ich finde - beschrieben wird, wie man auf ne Studentenparty geht und das beschreibt was da abläuft. Das ist nicht politisch wie "Krieg; keinen Frieden". Als wir kürzlich im Studio waren, herrschte Krieg. Als wir "Krieg; keinen Frieden" gemacht haben, war überhaupt kein Krieg. Da war der Golfkrieg zwar noch rudimentär vorhanden, aber eigentlich auch schon lange vorbei. Als ich jetzt im Studio war, hätte ich ja eigentlich gut einen politischen Text über Krieg schreiben können. Aber ich dachte mir "das hab ich alles schon gemacht und es langweilt mich zum Teil sogar". Ich will den Leuten auch nichts mehr erklären. Ich mach jetzt Texte, wo ich breschreibe wie ich auf ne Party geh oder wie das damals bei mir auf dem 3-Meter-Brett war. Das sind halt persönliche Texte. Was das alles mit Punk zu tun hat... Das ist halt mein Weg aus der "Krise". Es ist natürlich keine wirkliche Krise, nur weil ich nun gute Texte mache oder nicht. Ob das jetzt Punk ist, un-politisch oder die 90er... das ist mir egal. Es ist nur mein eigener Weg, gute Texte zu machen.

Es ist ja nicht nur eine Frage der Texte, sondern der Präsentation an sich. Auf dem Infoblatt von C&D-Promotion, das der neuen Scheibe beilag, kann man herauslesen, dass ihr euch von Punk abgrenzen wollt, weil Punk so etwas wie Charme & Stil nicht besitzt. Wie ist das gemeint?
Das haben wir aber nicht geschrieben, sondern jemand der die Band und ihre Entwicklung kennt.

Ja, aber das steht auf EUREN Flyern.
Gut, man könnte es so auslegen, als wäre das unsere Meinung. Aber das ist sie nicht. Meiner Definition nach ist "Hallo Endorphin" immer noch eine Punkplatte. Nur ist es wahrscheinlich nicht eure Definition und schon gar nicht die von den Leuten da draussen vorm Konzertort. Auf unserer dritten Platte haben wir Martin Büsser, Frank Schütze und Stern aus Bremen ein Info schreiben lassen. Ihr wisst ja, dass die Platten auf meinem eigenen Label rauskommen. Was soll ICH denn darüber schreiben?! "Hier kommt das Größte, Beste, Geilste!"? Das kann ich natürlich nicht machen. Natürlich könnte ich einfach schreiben "Hier kommt die neue ...BUT ALIVE, jetzt besprecht die mal." Das könnte ich bei PLASTIC BOMB und OX machen, die Ahnung davon haben. Aber neben diesen wird die Platte auch noch in PRINZ, MARABO, den ganzen Stadtmagazinen usw. besprochen werden. Das heisst es werden innerhalb eine Woche 200 Scheiben als Promotion verschickt, davon gehen vielleicht 5 oder 10 an Fanzines wie euch. Und die restlichen 190 gehen an Leute, die da nicht soviel Ahnung von haben.

Von dem klassischen Punk-Ding habt ihr euch ein gutes Stück entfernt. Was geht dir durch den Kopf, wenn du das Publikum vor dir siehst mit Leuten, die total besoffen sind, Iros haben und die teilweisse auch scheiße rumpogen. Wie behandelst du diejenigen, und wie siehst du sie?
Ich leide still in mich hinein.

Spielt da sowas wie Verachtung eine Rolle?
Ich bin soviel weiter wie Verachtung. Ich bin schon 2 Stufen weiter. Ich hab sie verachtet, bin von der Bühne runter und hab Leuten einen mitgegeben. Wir haben Songs abgebrochen, den Leuten gesagt, sie sollen damit aufhören. Wir haben alles gemacht. Aber was du auch machst, es ist immer falsch. Wir haben '94 und '95 pro Jahr 100 Shows gespielt. Von diesen 100 Shows sind bestimmt 80 bitter geworden. Da gewöhnt man sich sogar ein bißchen dran. Und ich hab mich dran gewöhnt. Jetzt kann mich wirklich nicht mehr viel erschüttern. Vielleicht noch, wenn ein Iro-Punker auf die Bühne kommt, "sie war, sie ist, sie bleibt" mitsingt und mir gleichzeitig einen auf die Schnauze haut. Aber sonst...

Es hört sich stark danach an, als wäre die neue ...BUT ALIVE-Scheibe eine Reaktion auf die Reaktionen der Leute. Ist das dann überhaupt noch das ehrliche ...BUT ALIVE-Ding?
Es ist nicht so, dass ich denke: "Oh, da kommen zu viele Iro-Punx, jetzt mach ich mal was anderes.". Ich hab mich musikalisch ganz einfach in andere Richtungen bewegt und höre mir ganz andere Sachen an als noch vor 5 Jahren. Von den Sachen, die jetzt im Punk rauskommen, gibt es vielleicht noch 5 Platten, die mich interessieren.

Welche?
SOCIAL DISTORTION zum Beispiel. Und wenn Mike Ness 'ne Soloplatte macht, dann fiebere ich der entgegen. Okay, von der letzten war ich auch einigermaßen enttäuscht. Als ich das von der Soloplatte mitbekommen habe, dachte ich mir: "Hey geil, endlich mal ein Punk, der den Mut hat, allen zu zeigen, was in ihm steckt!". Das ist eine Form von Ehrlichkeit, die ich dem Mann hoch anrechne. Jetzt kommt bestimmt noch ne Soloplatte hinterher, die wahrscheinlich auch nicht so toll ist. Aber diesen Mut zu haben, das ist Punk für mich. Was mich sonst am meisten interessiert sind Bands, die aus dem Punk kommen, aber diesen heute ganz anders umsetzen und den musikalischen Rahmen sprengen. Zum Beispiel eine Band wie REFUSED. Dann höre ich mir noch viel SUBLIME mit ihrem Reggae an, die auch aus dem Punk kommen.
Wenn jetzt jemand in seiner Kritik schreibt, dass jetzt der "Hippie-Song" nicht nur auf das Schlusslied jeder Platte beschränkt ist (Anm.: wer das wohl geschrieben hat...), dann bedeutet das für ihn, dass der letzte Song für ihn immer nur wie ein Gag war. Für mich war das ein fulminanter Bestandteil jeder Platte! Das war immer einer der wichtigsten Songs. Für viele ist das Hippie-Mief und Dreck oder sowas wie'n komisches Outro. Aber für mich war das superwichtig! Man darf sich von niemandem etwas sagen lassen - von keinem Menschen, von keinem Label, von keiner Szene. Wenn man das macht, woran man glaubt, dann hat das was mit Freiheit und Mut zu tun. Und das ist für mich Punk.

Wird es B.A.Records noch länger geben? Ich hab gehört, dass du die Labelarbeit eventuell einstellen willst...
Das Label gibt's weiter. Wir haben ja gerade erst ne Platte rausgebracht. Ich kann dir aber sagen, dass die nächste RANTANPLAN-Scheibe definitiv nicht bei B.A.Records erscheinen wird. Der Band hab ich gesagt, dass ich am Stock gehe und den ganzen Arbeitsaufwand einfach nicht mehr bewältigen kann. Denn eigentlich will ich ja Musik machen. Statt dessen packe ich nach dem Erscheinen der neuen ...BUT ALIVE jeden Tag Pakete. Jede Woche immer diese Pakete ans Plastic Bomb...

Die Schweine. Statt auf einen Schlag mal 300 Platten zu nehmen...
...genau. Immer nachbestellen, so 'ne Scheisse.

Gehen RANTANPLAN zu ROD REC.?
Im Moment sieht's danach aus. B.A.Records wird es aber weiter geben. ...BUT ALIVE werden garantiert niemals zu einem anderen Label wechseln. Dafür lege ich hier meine Hand ins Feuer.

Wirken da etwaige schlechte Erfahrungen mit WEIRD SYSTEMS nach?
Ooooch... JA! Ich möchte das jetzt gar nicht weiter ausführen und zu schlecht über andere Leute reden. Es ist ganz einfach auch so, dass du die Kontrolle nicht mehr hast. Und wenn jemand so'n Kontrollfreak ist wie ich, dann ist es wichtig die Rechte an seinen Songs zu behalten. Es ist blöd, wenn man wegen Verträgen zum Label dackeln und betteln muss, weil man "Nur Idioten brauchen Führer" für'n Antifa-Benefit-Sampler abgeben möchte.

Als ich eure Platte zum ersten Mal gehört hatte, war mein erster Eindruck, dass sie eine Anbiederung an die "Hamburger Schule" ist.
Wir wissen natürlich, dass in der Punkszene die "Hamburger Schule" keinen besonders guten Ruf geniesst. Wir als Hamburger Band sind nie in diesen Bereich reingerutscht, weil wir da nie reinwollten. Nichtsdestoweniger finde ich diese Bands nicht alle so scheiße wie der Rest der Punkszene. Das erkennt man daran, dass wir z.B. auf jeder einzelnen ...BUT ALIVE-Platte eine BLUMFELD-Zitat haben. Auf der ersten war's "Krieg; keinen Frieden", auf der zweiten "...hmmm, komm ich jetzt nicht drauf". Und auf der dritten "Die Angst, die du fühlst, ist das Geld, das dir fehlt". Von Anbiederung zu sprechen... naja... Man kann uns bei jedem Zug, den wir machen, irgendwas vorwerfen. Wenn jetzt zufällig jemand meint, manche Passagen würden sich nach TOCOTRONIC oder STERNE anhören, dann könnte das bedeuten, dass wir genau darauf zielen. Aber das ist nicht so, und jetzt könnt ihr glauben was ihr wollt...

Was hat es mit den vielen Film-Samples auf euren Platten auf sich?
Das basiert darauf, dass ich ein relativer Cineast bin und viele Filme gucke. Wenn ich ein gutes Zitat höre, dann kriege ich daher manchmal auch Inspirationen für Texte. Das ist ein persönliches Ding von mir. Findet man vielleicht scheisse, findet man vielleicht gut, ist mir egal...

Du hast ja auch mal eine Solo-Kassette rausgebracht... gibt's die noch?
(völlig überrascht) Hey, du kennst dich aus. Das war 1994. Ich hab die nicht selbst rausgebracht, sondern ein Freund aus Friedrichshafen (Swing & Crime, c/o Markus Jeroma, Ernst-Lehmannstr. 17/1, 88045 Friedrichshafen). Dem kannst du 8 DM schicken und dann kriegst du sie. Aber ich sag dir gleich: ihr werdet sie hassen! Markus sprach mich an, weil ich so viele Songs geschrieben habe. Aber ich wollte nichts für ein Solotape aufnehmen "Hey, das sind doch alles Punks, und die wollen das doch nicht hören...". Wir haben in Friedrichshafen gespielt und er wollte am nächsten Morgen eine Akustikgitarre und ein Kassettendeck besorgen, damit ich das einspielen kann. Ich wollte immer noch nicht. Aber wie es nunmal so ist: Wir haben am Abend gesoffen wie die Löcher, und am nächsten Morgen hab ich das dann aufgenommen. Die Akustikgitarre war die schlechteste südlich von Frankfurt. Ich bin damit auch nicht zufrieden. Es ist einfach sehr sehr rauh; nur Akustikgitarre und Stimme. Für Markus Jeroma ist das Punk. Aber so weit würde ich nicht gehen. Es ist sehr persönlich, nicht politisch. Das darf man auch nicht überbewerten. Es war nur eine Idee.

Um deine Stimme soll es nicht gut bestellt sein. Gerüchte besagen, dass es nicht mehr viele ...BUT ALIVE-Konzerte geben wird...
Die nächsten 4 Tage, also diese Mini-Tour jetzt, sind die fundamental entscheidenden in der Geschichte von ...BUT ALIVE. Danach werde ich mich am Montag hinsetzen und kucken wie's geht. Und dann werd' ich eine Entscheidung treffen. Ich hatte Knoten auf den Stimmbändern, so dass ich am Ende einer RANTANPLAN-Show, wo ich ja eigentlich nicht soviel singen muss, nicht mehr sprechen konnte. Dann wurde ich operiert und habe eine Stimmtherapie gemacht. Mir wurde dringend abgeraten, aufzutreten. Und meine Stimme ist schon brüchiger geworden. Heute ist der erste Tourtag, da wird man das noch überhaupt nicht merken. Aber Montag sieht das vielleicht schon ganz anders aus.

Aber du wirst doch nicht vollkommen aufhören, mit ...BUT ALIVE Konzerte zu spielen...
Nee! Quatsch! Aber die Zeit der großen Touren ist auf jeden Fall vorbei. Eine tour-intensive Band wie ...BUT ALIVE, die sich auch eine zeitlang nur über's Touren definiert hat, muss dann einfach einen anderen Weg finden. Ich weiß nicht welchen, aber wir müssen einen Weg finden. Wir sind keine Proberaumband. Das können wir nicht.

"Über Musik schreiben ist wie zur Architektur tanzen". Was ist mit der Textzeile gemeint?
Hast du schon mal zur Architektur getanzt?

Weniger. Aber das hört sich stark nach negativen Erfahrungen mit der Musikpresse an.
Das fragen mich alle Leute, die über Musik schreiben! Aber damit hab ich ja gar nicht Leute wie euch gemeint. Wenn mir jetzt jemand vom "Spex" gegenübersitzen würde, könnte ich ihm die Frage beantworten. Denn in dem Text geht es um Leute, die hinter jeder Scheisse, die aus dem Musikbusiness kommt, die nächste große Revolution sehen. Zum Beispiel so ein Ausspruch wie "Making disco a threat again" stand mal im SPEX - das war NICHT ironisch gemeint. Die dachten wirklich, dass da jetzt irgendwelche hippe Elektrokacke, so eine richtige Scheisse ohne Energie eben, kommt, die alles wegbläst wie Punk damals. Da dachte ich nur: "Mensch, jetzt haltet doch einfach mal die Klappe!". Die geben Pop so eine revolutionäre Kraft, die sie schon lange nicht mehr hat. Schon gar nicht in Zeiten wie diesen. Und da wollte ich denen nur mal sagen: "Hey Leute, wenn ihr so über Musik schreibt, dann könnt ihr auch zur Architektur tanzen."

Waren die Texte auf der ersten Platte noch kämpferischer und direkter, so wurden sie im Laufe der Zeit immer persönlicher. Was verursachte diesen Wandel?
Ich bin nicht mehr der, der ich damals war. Ich bin viel zynischer geworden. Damit ist die Frage im Titel der 2. Platte, ob ich zynisch werde oder nicht, auch beantwortet. Ich bin einfach mit 30 Jahren nicht mehr derselbe wie mit 22. Wenn andere in langen Jahren immer noch dasselbe machen, dann frag ich mich, ob die nichts erleben. Dann könnte man auch mal ganz genau hinkucken und sie fragen, ob sie das wirklich noch für sich machen oder weil das Publikum es erwartet. Es wäre so billig gewesen, einen Song über den Jugoslawien-Krieg zu schreiben. Das wär so billig gewesen... 3x die TAZ lesen, 4x die gängigen linken Artikel, dann einen Text drüber schreiben - und alle finden's dufte.

Im Bezug auf das Kämpferische noch mal ganz kurz - was machst du ausserhalb der Musik? Wenn man politisch ist und einen vieles stört, was man in den ...BUT ALIVE-Songs definitiv hört...
Ja...
...was tust du dann dagegen?
Ich bin absolut aus allem raus, was ich mit politischer Arbeit jemals zu tun hatte. Und das auch schon zeitgleich mit der "Bis jetzt ging alles gut"-Platte. Ich bin auch aus dem Wohnprojekt raus, in dem ich lange gewohnt habe.

Hat das auch mit den ständigen Anfeindungen gegen euch zu tun? Dass manche Leute aus linken Kreisen sich ausgerechnet euch als Feindbild ausgesucht haben...?
Auch. Ganz klar. Ich habe jeglichen Glauben an irgendein "Wir" wirklich restlos verloren. Es gibt nur noch ein "Ich". Ja, das ist wirklich so. Ich bin soviel angefeindet worden von Leuten, von denen ich das nie erwartet hätte... das tut immer weh. Es lief immer darauf hinaus, dass ich anscheinend irgendwas falsch gemacht habe, was sie von mir erwartet haben. Ich hab nie erzählt, dass ich heilig bin. Diese Leute glauben, ich hab den absoluten Plan, z.B. von der gesamten feministischen Idee. Und ich würde alles durchschauen. Es gab auch Briefe, die mich kritisiert haben, ich könnte mich nicht in Frauen reinversetzen und so weiter... ich könnte natürlich sagen: "Ist mir alles egal, ich nehm den Brief und schmeiss ihn weg". Ich bin für die... jetzt will ich mal'n bisschen auf die Tonne hauen... ich bin für die ein Mythos. Ich bin für die einer, der über den Dingen steht und ihnen was erklären kann. Dann greife ich gelegentlich auch noch die eigene Szene an, was sie zum Teil auch noch voll cool finden. Aber dass ich genauso ein Trottel bin wie jeder da draussen, mit denselben ganz normalen Fehlern, das wird einfach nicht begriffen.

Wenn das Verhalten der Menschen um dich herum sich verändert und dir gegenüber feindlich wird, ändert sich damit dann auch deine eigene politsche Haltung?
Gut, dass du fragst. Das muss ich erklären. Ich sage natürlich nicht, dass ich jetzt auf einmal mit Politik nichts zu tun haben will, nur weil die mich anfeinden. Aber in mir ist etwas, das hat mit einer kämpferischen Einstellung abgeschlossen. Ich habe zwar immer noch meine Einstellung, aber ich äußere sie nicht mehr offensiv und kampfbereit. Ich trage sie nicht mehr so sehr nach draußen und mache keine politische Arbeit. Ich gehe in letzter Zeit auch nur noch selten auf Demos. Aber das heißt natürlich nicht, dass wir nicht z.B. Benefiz-Konzerte spielen wie letztens in Bottrop mit RANTANPLAN, als es um Hilfe für Obdachlose ging.
Und wenn ich jetzt mal einen ganz kleinen pathetischen Auswurf einbringen dürfte... ich hab da natürlich auch lange überlegt, denn Musik ist halt mein Leben. Ich hab jahrelang Musik gemacht und das natürlich auch... oh Mann, wie soll ich's jetzt sagen... als Waffe gesehen. Ich hab Musik mit 16, 17, 18 tatsächlich als Waffe gesehen. Ich hab gesagt: "Das ist meine Meinung, und dazu steh ich!". Wenn ich singe: "Ohnmacht, ich spreng euch alle weg", dann ist das meine Meinung, und ich will dass das alle anderen auch so sehen und vielleicht auch mal mit der Faust auf den Tisch hauen. Davon bin ich völlig weg. Einen Song wie "Ohnmacht" wird es von mir nie wieder geben!
Dann könnte man natürlich fragen: "Warum machst du überhaupt noch Musik? Nur noch, um die Leute zu unterhalten...? Was willst du denn noch?" Aber den Leuten bedeutet es ja trotzdem was. Und warum finden sie es gut? Weil es irgendwie für sie eine Form von Trost ist? Es tröstet sie hier und da. Es hilft ihnen, lustig in die Dusche reinzukommen...

Aber du bist doch jetzt nicht der große Tröster... der Tröster der Punkrockszene...
Ne, Trost ist das völlig falsche Wort. Ich will nur nicht mehr, dass die Leute Steine schmeißend auf die Demo gehen, wenn sie meine Musik hören. Das mit dem Trösten habt ihr vielleicht in den falschen Hals gekriegt. Ich will nicht Leute trösten, sondern ich möchte Musik machen, die was anderes will als Kampf.

Du hast Musik mal als Mittel zur Veränderung gesehen. Die Nazis pulvern eine ganze Menge Geld in rechtsradikale Musik, Gruftie-Musik, Oi! etc. Das zeigt, dass sie Musik auch als Waffe sehen, um ihre Ideologie zu transportieren.
Jaja, und sie glauben auch dass sie damit statt 30.000 Nazis jetzt - sagen wir mal - 60.000 Nazis, Skinheads etc. erreichen. Das werden sie, wenn sie Glück haben, vielleicht auch schaffen. Aber ob sich das dann in der gesamten Gesellschaft positiv für sie äussert, das mag ich bezweifeln. 1993 hab ich Musik als Waffe gesehen. Da kam 'ne BÖHSE ONKELZ-Platte raus und ich dachte: "Hey, auf der anderen Seite stehen wir und SLIME. Wir sind auch noch da. Wir versuchen auch was zu machen. Vielleicht raffen die Leute ja, dass STÖRKRAFT und ONKELZ Unrecht haben." Man versucht da Einfluss zu nehmen. Aber sowas mach ich nicht mehr. Sowas will ich nicht mehr. Ich hab's schon gemacht. Es langweilt mich. Das ist Schwäche, das ist Feigheit, das ist bitter. Aber ich mach jetzt keinen Song mehr gegen Nazis. Das hab ich schon. Und Musik mache ich nicht nur für andere, sondern auch für mich. Warum soll ich mir selbst Sachen erzählen, die ich mir schon mal erzählt habe...?

Kann es sein, dass dir RANTANPLAN wichtiger ist als ...BUT ALIVE? Gefällt es dir zur Zeit vielleicht besser, in eine Band als gleichwertiges Mitglied integriert zu sein statt bei ...BUT ALIVE stark im Mittelpunkt zu stehen?
Tendenziell finde ich es ganz angenehm, bei RANTANPLAN nicht in so einer exponierten Stelleung zu stehen. So nach dem Motto: "Macht ihr mal eure Interviews, ich geh dann mal trinken." Aber das heißt nicht, dass ich jetzt lieber einen trinken würde als mit euch zu reden. Wenn jemand ein gesundes Interesse an mir hat und wirklich was wissen will, dann ist mir das auch wichtig....