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Interview mit dem ABERRATION-Fanzine (r.i.p.) am 9.10.1999

Nachdem "Hallo Endorphin" innerhalb der Punk/HC Szene eine fast schon polarisiernde Wirkung hatte, schien es mir wichtig ...But Alive selbst zu Wort kommen zu lassen und die an sie gerichteten - zwar oft nicht als solche deklarierten - Vorwürfe zur Disposition zu stellen. Erfreulich war vor allem, daß Marcus (Wiebusch, Gesang und Gitarre) sich außerordentlich viel Zeit nahm und sich Mühe gab, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Davon abgesehen war es ihm natürlich auch eine Ehre dem besten antideutschen, linksradikalen Undergroundmag ein Interview zu geben. Diese Ehre wird nun wirklich nicht vielen zuteil. Nur ausgewählte sexuell ansprechende und humoristische Charaktere dürfen mit uns reden. Marcus und ich unterhielten uns am 9. 10. 99 in München neben dem Cafe Kult im Bandbus. Marcus´ Aussagen erscheinen kursiv. (Anm.: hier nicht ;-))


Ein Vorwurf, der so am deutlichsten im Plastic Bomb #28 geäußert wurde, war der, dass ...But Alive ihre Energie verloren hätten, weil sie statt "treibendem Punk" nun vermehrt "ruhigere, elektronische Klangexperimente" in den Vordergrund stellten. Was das in erster Linie zum Ausdruck bringt, ist eine Tatsache die nicht neu und deshalb um so bitterer ist, nämlich daß es nur noch um Musik geht, worauf Marcus sagt:
Wir haben deshalb auch ganz bewußt ein T-Shirt wieder herausgebracht, auf dem steht: "Wenn es nur noch um Musik geht, dann war alles nur ein Irrtum." Das ist exakt das, was ich auch sage. Das Plastic Bomb hat auch noch ein Interview mit mir gemacht, wo ich der Sache dann noch mal auf den Grund gegangen bin. Ich hab ihm (Michael Will) gesagt: "Euch geht es doch nur noch um Musik. Wenn es nur noch um Musik geht, dann war alles nur ein Irrtum." Darauf hin hat er dann gesagt: "Nein, es geht nicht nur um Musik, aber auch.", worauf ich dann gefragt habe: "Was hätten wir denn machen sollen um Deinen Bedürfnissen zu genügen? Du sagst ja selber, daß die Texte immer noch ein hohes Niveau haben. Sie sind zwar nicht mehr eindeutig und nicht mehr wütend." Aber ich bin eben auch nicht mehr der selbe Mensch wie zu Zeiten unserer ersten Platte. Ich bin nicht mehr wütend. Ich bin zynisch und der Zynismus macht einen auch nicht mehr so wütend. Das kann man mir vorwerfen, aber ich finde das bitte schön immer noch ehrlicher und authentischer, wenn ich das dann auch so sage und einen anderen Weg finde, der natürlich immer noch dissident ist, weil ich ja nicht ein komplett anderer Mensch bin. Nur ist es in meinen Augen völlig absurd ständig dieses Argument zu bringen "Hippie, weil Akkustikgitarre". Das habe ich eben versucht zu erklären. Ich glaube ansatzweise wurde ich verstanden, ansatzweise aber auch nicht. Man muß da sicher auch beachten, daß Musik eine besondere Rolle spielt. Hart gesagt: es muß abgehen, da man sich in Musik anders wiederfinden möchte als in Texten. Man kann zu Musik unterschiedliche Bezüge haben. Einmal: Es geht ab. Ich bin berührt. Oder: Ich bin berührt weil es abgeht. Diese Illusion von Stärke durch verzerrte Gitarren kommt ja nicht von ungefähr. Die Punks stehen nicht grundlos breitbeinig auf der Bühne und rocken, das ist eben eine Illusion von Stärke. Bei mir ist das so, wenn ich Texte mache, daß ich mir - um es etwas pathetischer und philosophischer zu formulieren - auch verletzliche, schwache Momente gestatte, die zeigen, daß man eben nicht rockt, sondern eine Sache dezent betrachtet und zum Ausdruck bringt. Das war immer ein Teil von mir. Wir haben wie die Geistesgestörten gerockt in "Grau", obwohl das ein sehr verletzlicher Song ist, der nichts anderes aussagt, als daß man voller Zweifel ist. Diese Seite wollten wir mit der neuen Platte auch musikalisch ausdrücken und daraus resultieren dann solche Songs wie "Vom 3er", "Beste Waffe" oder aber auch die ruhigen Momente in "Weniger als 5 Sekunden". Wir rocken zwar schon noch, aber eben nicht nur, weil das langweilig und scheiße ist und wir da keine Lust mehr zu haben.

Ein Ausdruck ganz normaler Menschlichkeit, nämlich persönliche Veränderung, scheint in manchen Szeneaugen ein Dorn zu sein. Vor allem, wenn die Veränderung nicht der eigenen Erwartung entspricht und man dann ganz entsetzt aus allen Wolken fallend feststellt, daß es außer der eigenen sogar noch andere Ansichten gibt, und - verdammt noch mal - diese auch noch die selbe Daseinsberechtigung haben wie die eigene. Veränderungen sind zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach nötig, denn
alle die Bands, die mir was bedeutet haben, haben sich entweder aufgelöst oder zu irgendeinem Zeitpunkt etwas verändert. Ich bin jetzt auch nicht der, der sagt man müsse sich immer verändern. Solche Bands wie Ramones oder Motörhead machen seit 20 Jahren das selbe. Sollen sie von mir aus auch, ich respektiere sie ja auch, nur interessiert mich das nicht und es berührt mich zu keiner Sekunde. Aber, jede Band, die authentisch sein will und ist, muß irgendwann einmal was verändern und deshalb bin ich ja auch so gespannt auf die nächste Propagandhi. Es gibt dann natürlich auch andere HC Szene Puristen, die dann sagen: "Auflösen. Absolut richtig was du sagst, Marcus, man muß sich verändern, aber dann soll man sich auflösen. Wenn man das nicht macht, enttäuscht man Erwartungen und tut alles nur noch wegen des Geldes." Und dieser Vorwurf steht ja auch im Raum

und wird sich wohl dadurch, daß ...But Alive mit "Weniger als 5 Sekunden" auf der CD-Beilage der Oktober-Ausgabe des VISIONS-MAGAZINs vertreten sind nur noch erhärten. Wobei hier gesagt werden sollte, daß sie dafür keinen Pfennig bezahlen mußten und auf diesem Sampler auch nicht gewesen wären, wenn es was gekostet hätte. Davon mal abgesehen, ist es wirklich Perlen vor die Säue werfen, diesen Song dem VISIONS-Publikum zu präsentieren. Ein Blick auf die Leserbriefseiten dieses Magazins zeigt, daß deren Leserschaft mittlerweile ziemlich dumm ist. Und nicht nur die. Die Kommerzvorwürfe sind ja nun auch nicht gerade neu. Anderen Bands erging es ähnlich und es war ebenso wenig gerechtfertigt. Ich gewinne langsam den Eindruck, daß derartige Vorwürfe nur erhoben werden, um die eigene Unfähigkeit etwas zu verstehen zu cachieren.
Wenn man was anderes macht, dann kommen solche Vorwürfe eben vor allem von solchen Leuten, die nicht sehen, daß unsere Texte immer noch konsequent in einer Linie sind und für die wir ganz offensichtlich an Brisanz verloren haben. Wir galten bisher als hochgradig politisch brisante Band, die viele andere Bands beeinflußt hat. Jetzt, wo wir ein bißchen was anders machen, sind wir augenscheinlich nicht mehr politisch brisant und deshalb lächerlich und peinlich. Es gibt viele Leute, die so denken. Ich sage, ich als Mensch habe mich verändert, weshalb ich das in den Texten und der Musik auch transportiere. Ich finde, daß da überhaupt nichts lächerliches oder peinliches dabei ist. Man macht das dann doch auch nicht des Geldes wegen. Wenn wir uns des Geldes wegen verändert hätten, dann könnten und würden wir heute abend mit VISIONS im Rücken vielleicht auch ganz wo anders spielen. Aber das bekommt niemand mit. Es wird nur registriert, daß wir in Hamburg in der Fabrik spielen. Das ist so ein Laden, da kann man nicht unter 15 DM Eintritt spielen. Das ist anscheinend für manche Leute der Inbegriff des Verrätertums. Wenn ich dann frage, wo wir stattdessen spielen sollen, dann sagt man mir "3 mal hintereinander im Störtebecker". Da sag ich dann, na super. Das kann keine Option sein 3 mal hintereinander in der selben Stadt gelangweilt mein Set runterzuspielen. Es kann dann auch passieren, daß wir wie in Bochum bei neuen Songs Mittelfinger entgegengestreckt bekommen, wobei wir da auch drüber stehen und insgesamt betrachtet, ist schon alles noch im grünen Bereich. Die neuen Songs kommen zwar nicht so gut an wie die alten, aber das ist nicht weiter schlimm oder bitter.

In musikalischer Hinsicht wurde ...But Alive bei manchen neuen Songs eine Nähe zu manchen Hamburger Schule Bands attestiert. 1994 sagte Marcus in einem Interview im Plastic Bomb, daß sie als Band mit diesem initierten Hype nichts zu tun haben wollten und da genauso dagegen stünden wie gegen den Mainstream. Es erschien deshalb verwunderlich, daß auf "Hallo Endorphin" mit "Ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später..." ein Song enthalten ist, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt und auf den ersten Blick vielleicht auch den Eindruck der Parteiergreifung pro Hamburger Schule erweckt. Wie gesagt, auf den ersten Blick.
Unsere Beziehung zur Hamburger Schule ist ambivalent. Fakt ist, daß ich seit unserer ersten Platte auf jeder Platte ein Blumfeld-Zitat untergebracht habe, weil ich diese Band liebe. Textlich gibt mir das was. Musikalisch muß ich das nicht alles gut finden, aber ich finde das gut, wie er (Jochen Distelmayer) mit der deutschen Sprache umgeht und ich zweifle die politische Integrität von solchen Bands wie Blumfeld oder - ganz besonders - Goldene Zitronen keine Sekunde an. Vor allem muß ich meinen Hut davor ziehen, wie die Goldenen Zitronen den Weg aus der Jauchegrube Fun-Punk gefunden haben und gegangen sind. Aber Fakt ist natürlich auch, daß a) diese ganzen Hamburger Schule Bands textlich nie so explizit Stellung zu solchen Themen wie Faschismus bezogen haben wie andere und daß b) Hamburger Schule im gesamten bundesdeutschen Popkontext völlig überbewertet wird, d.h. es wird Bands wie Tocotronic oder Goldene Zitronen eine Bedeutung zugemessen, die so überhaupt nicht existiert. Diese ganze Pop-Ideologie, die darauf beruht, daß nur alle lange genug die hippen, coolen Hamburger Szene Bands hören müssen, wodurch sich dann großartig was ändern soll, ist der größte Quatsch. In dem Song "Ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später..." sage ich, daß diese Behauptung aus der Spex "Making Disco a threat again", womit sie uns klar machen wollen, daß durch irgendein komisches Elektrogeblubber, jetzt bald - ähnlich wie 77 bei Punk - alles wegbrechen und neu sein wird, völliger Blödsinn ist. So eine revolutionäre Kraft wie damals hatte Pop in den 90ern nicht mehr und wird er auch nie mehr haben. Deswegen ist unsere Beziehung zur Hamburger Schule ambivalent. Wir sind nun aber nicht direkt gegen die Bands, denn wenn man diese kennt, so wie ich Tocotronic kenne, dann erkennt man, daß sie das teilweise selber so sehen, daß sie restlos überbewertet werden. Tocotronic z.B. verstehen das auch nicht, was sie wiederum sympathisch macht. Sie sind Menschen, die bestimmte Sachverhalte, Gefühle etc. in Worte fassen können und dafür kann man sie respektieren und ich respektiere sie dafür auch. Nur - und das meine ich mit dem Ausdruck "Die Bands sind unschuldig" - ist dieser Begriff Hamburger Schule ja auch nie von einer der Bands eingeführt worden, sondern von einem Autoren der TAZ, der nicht - und das ist typisch - aus der Musik kommt und eine Sache wichtiger machen wollte als sie ist. Das hat er getan und der Rest ist Geschichte.

Auffällig sind dennoch einige textliche Parallelen zwischen den jeweils neuen Platten von Tocotronic und ...But Alive. Darauf angesprochen meinte Marcus:
Ich kenne die Tocotronic jetzt nicht so gut. Ich kann das nur kommentieren, "Zwei Doofe, ein Gedanke". Wir machen mittlerweile andere Texte als damals, Tocotronic machen meiner Meinung nach andere Texte als damals, heraus kommen vieleicht solche Parallelen. Aber wenn man uns jetzt unterstellt, wir hätten voneinander abgekupfert, dann wird das ja schon mal dadurch entkräftet, daß die beiden Platten fast zum selben Zeitpunkt erschienen sind. Und ich gehe auch nicht in fremde Proberäume und spioniere. Ich kann aber auch gar nicht erklären wie so etwas passiert, wenn es passiert. Das ist wohl einfach Zufall, Pech, Glück...

Glücklicherweise waren ...But Alive bisher sehr einflußreich, denn somit kam Qualität endlich mal zu verdienten Lorbeeren. Ob sie aufgrund ihres Einflußreichtums unter Punkbands nun auch eine Welle von introvertierten Pop-Scheiben zu verantworten haben werden, ist fraglich. Marcus wußte darauf auch keine Antwort.
Ich stehe dem Erfolg unserer ersten Platte auch eher fasziniert als erklärerisch gegenüber. Ich weiß es selbst nicht, wie und warum es manche Platten zu Klassikern schaffen und andere nicht. Ich denke aber mal, daß es eine solche Entwicklung eher nicht geben wird, denn schätzungsweise ist das vielen einfach zu pseudohip jetzt auch noch was mit Elektronik zu machen. Ich kenne auch kaum Punkbands, die den Mut dazu hätten, sich sowas zu trauen. Es gibt zwar viele, die sagen "Ich möchte gerne, mache es aber lieber doch nicht." Wir stehen da ja auch nur unter dem direkten Einfluß von solchen Genies wie Refused oder anderen Bands, die noch nicht mal aus dem Punkbereich kommen, die neuen Dingen viel offener gegenüberstehen, wie z.B. Asian Dub Foundation.

Mut ist in der Tat ein zentraler Aspekt auf "Hallo Endorphin", was sich nicht zuletzt auch im Cover niedergeschlagen hat, das dieses Mal nicht von dem New Yorker Polit-Künstler Eric Drooker stammt, wie man es bisher von ...But Alive gewohnt war.
Das Cover ist angelehnt an ein Foto aus dem Jahre 1936 aus einem italienischen Sportbildband. Dieses Foto ist für mich der Inbegriff von Mut. Ursprünglich ist da noch ein zweiter Mensch drauf und das sieht so aus wie eine Mutprobe. Als ob sie erst gerade noch miteinander geredet hätten "Los wir springen jetzt!", "Du traust Dich ja doch nicht!", und dann springen sie eben doch. Ins Wasser, die haben sich ja nicht umgebracht.

Das Cover bietet so einen Einstieg in die textliche Thematik, die vor allem von der Metapher des Sprungs bestimmt wird.
Diese Metapher zieht sich tatsächlich wie ein roter Faden durch die gesamte Platte. Sprung vom 3er, von der Teppichkante. Vielleicht formuliere ich das jetzt zu massiv, aber die neue Platte ist für uns ja auch sowas wie ein Sprung, bei dem wir auch zu keinem Zeitpunkt wußten oder wissen, wo und wie wir landen und ob wir aufgefangen werden. Ich hab zu den anderen in der Band gesagt, daß wir wenigstens die Hälfte unseres Publikums verlieren werden, wenigstens. Aber ich wollte das machen. Wenn die anderen das nicht gewollt hätten, dann hätte ich da auch nichts machen können. Aber sie hatten da ja auch Bock drauf. Gerade Frank und Torben sind sehr experimentierfreudig in der Beziehung und haben auch verstanden, wo ich hin wollte, weil im Grunde, habe ich das alles alleine forciert.

Durch das Cover tauchten dann noch ganz andere Abgründe auf.
Unser Vertrieb, der nichts anderes will als Geld verdienen, hat uns gesagt: "Seid ihr noch ganz dicht ? Ihr müßt doch Drooker machen." Aber da wir das Label sind, können die uns gar nichts. Man muß sich nur mal vorstellen, wir wären bei Weird system geblieben. Die hätten sich ja eher einen Arm abgehackt als zuzulassen, daß wir kein Drooker Cover machen. Das sind dann immer so Argumente wie "Denkt an den Wiedererkennungswert. Der Markt wird wegbrechen. In Zeiten wie diesen...", die man hört, wenn man mit Leuten arbeitet, die nur Geld verdienen wollen.

Eine Frage nach dem (einem) Sinn stellt man sich heute besser nicht mehr. Zu ernüchternd wäre die Antwort, zu spärlich die Hoffnung. Am wenigsten Sinn macht so eine Frage auf politische Aktivitäten bezogen, da dort die Nutzlosigkeit am größten und die Wirkungswahrscheinlichkeit am geringsten ist. Warum also was tun ?
Man sollte Dinge, die man macht nie davon abhängig machen, ob sie irgendwem etwas nützen oder für irgendwas gut sind, sondern - das klingt jetzt wie eine Standardantwort, aber ich empfinde das wirklich so - nur davon, ob es für einen selber gut ist. Ich habe auch einen Song auf meinem "Hippiekacke" Tape (Anm.: 6 Songs nur Gesang und Akkustikgitarre, gibt´s bei Marcus Jeroma vom Toys Move, den besagten Song wird es bald als Download auf der BA-website geben), in dem es um nichts anderes geht als um das eigene Empfinden, was für einen selber in einem bestimmten Lebensabschnit zählt. Ob das nun der erste Schritt zur Revolution ist oder der erste Schritt ins private Glück ist völlig egal, entscheidend ist nur, ob man das selbst als gut und wichtig für sich selbst empfindet. Da sollte auch niemand irgendwelchen Gruppen von außen Einfluß gestatten. Natürlich macht es vielmehr Sinn, wenn man in Gruppen eingebettet ist und sich auch spürbare Erfolge abzeichnen. Ichmerke das ja auch selber, wenn wir Briefe bekommen, in denen steht "Ihr habt mein Leben bereichert, verändert, blablabla...". Dann ist das natürlich eine derbe Bestätigung, aber mir persönlich ist das scheißegal, ob derjenige Mensch dann meint, ich hätte die Bibel geschrieben oder ähnliches. Nein, er muß dann ganz allein für sich klar kriegen, was nun der nächste Schritt in seinem Leben - ob politisch oder nicht politisch - ist, da kann ich und will ich ihm auch nicht helfen. Ich fordere ja auch niemanden dazu auf in irgendwelche Parteien einzutreten oder sich zu organisieren. Das ist mir alles scheißegal, ob die Leute sich organisieren. Entscheidend ist nur, ob das für sie selber etwas bringt oder nicht. Um jetzt nochmals auf die Eingangsfrage zurückzukommen, ob das gesellschaftlich, politisch etwas bringt, da muß ich sagen, daß es natürlich überhapt nichts bringt. Es gab ja schon vor uns Bands, die viel viel radikaler waren und viel mehr öffentliches Bewußtsein geschaffen haben als wir. Crass oder vor allem Dead Kennedys. Was haben die gerissen. Die Dead Kennedys haben ja popkulturelle Manifeste geschrieben, an denen es nichts zu rütteln gibt. Und heute, was ist davon geblieben ?!

Das Traurige heute ist nicht, daß es die Dead Kennedys (naja, einen toten Kennedy gab´s ja erst letzten Sommer) nicht mehr gibt, oder eine Band die ein vergleichbares Engagement an den Tag legt. Das Bittere ist, daß selbst wenn es eine solche Band gäbe - und heute gäbe es dazu mehr Anlaß als jemals zuvor - ihre gesamte Arbeit mittels eines Deckmäntelchens der gestatteten Kritik ohne Probleme in die kulturelle Normalität integriert werden würde, bzw. es von vorne herein schon wäre. Ob das nun im dialektisch-hegelschen Sinn die Aufehebung aller Widersprüche bedeutet oder einfach pure Scheiße ist, sei mal dahingestellt. Eine Kritik von außen anzubringen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Ich weiß nicht, ob es überhaupt jemals anders war. Was ist die Konsequenz daraus ? Selbstmord ? Kotzen ? Lachen ? Für mich am ehesten ein Amalgam aus den letzten beiden Punkten.
Ich war da in Deinem Alter (Anm.: Ich bin knapp 20) schon noch anders, was auch nicht gesund war. Ich würde mich jetzt auch als kompletteren Menschen sehen, bei dem ich nach einem langen Weg angelangt bin und der das Resultat aus einer gewissen Hoffnungslosigkeit und Humorhaftigkeit ist. Ich umgebe mich auch nur noch mit humorvollen Menschen. Dieser Humor, das ist auch bei Rantanplan ein fulminanter Faktor, der auf den Platten gar nicht so sichtbar wird, aber wenn Du mit Rantanplan unterwegs bist, dann lachst Du richtig und Du bist hin und weg. Ich habe das aber auch mal in einem Song formuliert, wo es heißt: "In einer Welt voller Verständnis wird aus der bittersten Erkenntnis ein noch ganz annehmbarer Witz." Übersetzt heißt das: Wenn man erstmal alles verstanden hat und weiß warum Menschen so sind wie sie sind und so handeln wie sie handeln, dann setzt ein Zynismus ein, der selbst aus der bittersten Erkenntnis noch etwas Positives herauszieht. Und das ist wenig, das ist sehr sehr wenig, denn eigentlich möchte man es im tiefsten Innern seines Herzens doch anders. Aber es geht nunmal nicht anders. Und weil das Herz da dem gegenüber steht, was der Verstand sagt, kommt dann eben der Humor in einem hoch. Das geht natürlich - und das möchte ich doch noch betonen - nicht so weit, daß man loslacht, wenn Menschen verrecken. Das ist dieser Zynismus a la Harald Schmidt, der dann in Kinderschänderwitzen mündet. Solche Leute, die dann auch noch selber Kinder haben, sollen dann bitte auch lachen, wenn ihre eigenen Kinder verschleppt werden. Also sowas finde ich scheiße und das ist auch nicht das, was ich noch als menschlich erachte. Aber wenn man sich jetzt das anschaut, was Rot-Grün macht. Da kannst Du nur noch zynisch werden. Wie willst Du denn da noch irgendwie logisch argumentieren ? Neulich hat mich in einem Interview jemand gefragt, was ich von Rot-Grün halte. Da dachte ich dann auch nur: Wollt ihr mich vergackeiern oder was ? Da will ich meine wertvolle Zeit doch nicht mit verschwenden.

Und so viel Zeit bleibt ihm ja auch nicht mehr. Er ist schließlich schon 30 und es ist ihm immer noch nicht peinlich in Jugendzentren vor Palituchpunks aufzutreten. Oder?
Wir treten nur deshalb nur noch selten auf, weil ich keine Lust habe in den jeweiligen Läden neben dem Sozialarbeiter der Älteste zu sein. Nein, peinlich ist das was Campino macht, mit Mitte Dreißig in bunten Klamotten rumturnen, in den Bühnentraversen rumklettern und einen auf Berufsjugendlicher machen. Ich glaube schon, daß es auch jenseits der Dreißig noch einen Weg geben kann und muß Musik zu machen und auf der Bühne zu stehen, sonst könnten sich ja alle Musiker mit Dreißig aufhängen. Ich meine, man muß ja nicht im Punk bleiben. Jensen von Dackelblut z.B. macht ja auch viel außerhalb von Punk. Ich höre ja z.B. auch supergerne so Singer/Songwriter-Sachen. Elliot Smith z.B., der ist auch schon 35. Ich kann dann nur hoffen, daß ich mich nicht mit Akustikgitarre auf der Bühne zum Affen mache. Die Zukunft ist nicht rosig, aber offen. Die neue Platte kann man schon so als den letzten gemeinsamen Kraftakt ansehen. Wir haben ja eine Show in Hamburg gespielt, 2800 DM verdient und davon ein Haus in Dänemark gemietet. Dort haben wir dann den Gemeinschaftsraum leergeräumt und unser gesamtes Equipment hineingestellt. Eine Woche lang haben wir die neuen Songs mit der Elektronik eingespielt und ich habe wirklich noch nie so intensiv Musik gemacht. Das war so ein Rythmus: Aufstehen, Musik machen, Schlafengehen. Nichtsdestoweniger gab es dann in der Band auch Leute, die das nicht so toll fanden und nicht richtig mitgezogen haben. Aber es haben schon alle anerkannt, daß das dennoch gut ist und auch sein mußte. Ob das nochmal für eine Platte reicht, weiß ich nicht. Was das Label anbelangt, ich were es sehr einschränken. Noch nicht mal die nächste Rantanplan bringe ich raus, die kommt auf Rodrec. Der Grund dafür ist, daß ich mich mehr als Musiker, denn als Paketepacker sehe. Diese ganze Label- und "Business"-Arbeit mache ich auch nicht wirklich gerne, sondern vor allem um mein Leben zu finanzieren, worunter das Musikmachen natürlich leidet. Es gibt genug Bands, die es verdient hätten zu veröffentlichen, aber ich könnte sie mit meiner begrenzten Zeit und meinen begrenzten Mitteln nicht gebührend unterstützen und ich mache nur ungern halbe Sachen.

Als langjähriger Popkomm-Touri habe ich mir auf der vergangenen Popkomm natürlich auch den ...But Alive Auftritt auf der Trust-Party angesehen. Marcus überzeugte dort durch eine ausgesprochen dämliche Ansage beim Hurensong, oder, nein, äh, Quotensong, nee auch nicht. Quotenhurensong, genau. er kündigte "Ich möche Ilona Christen die Brille von der Nase schlagen" mit u.a. "Laßt uns bei diesem Wort nicht alleine" an. Was insofern verwunderlich war, als daß diese ganze Sexismus-Diskussuion wirklichschon lange gegessen war und so nun der Eindruck entstand, daß ...But Alive sich selbst in einer Art Märtyrerposition sahen.
Also, das war superscheiße von mir. Ich schäme mich da auch wirklich dafür. Aber ich will Dir auch sagen, warum ich das gemacht habe. Irgendwie hatte ich bei diesem Popkomm-Konzert einen merkwürdigen Film am Laufen. Es war das erste Konzert nach einem Jahr und ich dachte irgendwie, daß uns die Leute vergessen haben. Unterbewußt wird das einem ja auch vermittelt, bspw. von den Agenturen, "Au, ob das noch gut geht nach so langer Pause" in unseren Hochburgen wie Köln, Hamburg usw. Ich stand dann während dieser Show, wo ja doch alle da waren, ziemlich neben mir, weil ich so überwältigt war von dem Zuspruch der noch da war, daß ich es dann auch ganz wissen wollte. Das Quotenhure-Ding ist uns ja in beiderlei Hinsicht - positv wie negativ - um die Ohren geschlagen worden. Auf der Show hab ich das dann vollends auf die Spitze getrieben und ich frage mich wirklich, was mich da wohl geritten haben mag. Ich wollte im Grunde genommen diesen ganzen peinlichen Rockquatsch abziehen, aber, scheiße, ich weiß wirklich nicht welcher Teufel mich da geritten hat. Ich schäme mich soooooo ! Das wird mir auch nie wieder passieren. Aber es war eben die erste Show seit langem und wir waren super euphorisiert, weil wir ja wußten, daß wir gute neue Songs haben und und und, naja, wird nicht wieder vorkommen. Ich hab aber auch keine Drogen genommen, ja. Da leg ich Wert drauf.

An einer anderen Stelle wünschte er sich Luxusunterkünfte für die Band und Tabletts voller Kokain. Nein, Scherz. Das alles dürfte er als Begleiter der Weakerthans während deren Support-Tour mit Tocotronic ohnehin zur Genüge gehabt haben. Ihr blöden Rockstars, ihr.

das interview führte philip vom ABERRATION-fanzine